Financial Stability Report der Europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA
Im Dezember 2022 von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) veröffentlichtem Financial Stability Report wird Hauptaugenmerk auf vier thematische Schwerpunkte gelegt:
- die Auswirkungen steigender Inflation und Zinssätze auf die Finanzlage der Versicherer,
- die Verwendung von Derivaten durch die Versicherer und den damit verbundenen Liquiditätsbedarf,
- die wachsende Bedeutung von Übertragungen von Lebensversicherungsbeständen,
- das versicherungstechnische Risiko von Nichtlebensversicherern gegenüber dem physischen Klimawandelrisiko in Form von vermehrten Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen.
Trotz weltwirtschaftlich turbulenter Zeiten bleibt die Solvabilität des europäischen Versicherungsmarktes weiterhin mehr als ausreichend und bietet damit Spielraum und Puffer, um Verluste angesichts des bevorstehenden makroökonomischen Gegenwinds aufzufangen.
Hohe Inflation und Zinsrisiken
Im Jahr 2022 ist die Inflation im Vergleich zu 2021 weiter gestiegen, während sich die Wachstumsaussichten verschlechtert haben. Die Inflationsrate der Eurozone erreichte im August 2022 ein Rekordniveau von 9,1 % und dürfte kurzfristig hoch bleiben. Im ersten Kapitel des EIOPA-Berichts wird die Auswirkung auf Versicherer untersucht. Für Versicherungsunternehmen ist eine unerwartete Inflation vor allem für Nichtlebensversicherer und insbesondere für Long-Tail-Geschäfte eine erhebliche Risikoquelle. Denn künftige Schadenzahlungen könnten stärker steigen, als Versicherer bei der Berechnung ihrer versicherungstechnischen Rückstellungen ursprünglich geplant haben.
Ein weiteres Risiko ist die Abwertung von festverzinslichen Vermögenswerten infolge gestiegener Zinsen, da diese Anlageklasse einen großen Teil der Anlagen von Versicherern ausmachen. Insbesondere Lebensversicherer sind Zinsrisiken ausgesetzt, da ihre Verbindlichkeiten tendenziell länger dauern als ihre Anlagen. Viele Versicherungsunternehmen verwenden daher Derivate zur Absicherung von Zinsrisiken. EIOPA untersucht in ihrem Bericht, wie der Einsatz von Derivaten Versicherern hilft, die Volatilität ihres Kapitals zu reduzieren, und untersucht den Liquiditätsbedarf, der durch Cash-Margin-Anforderungen entsteht.
Weitere Informationen zu Auswirkung von hoher Inflation und steigenden Zinsen finden sich auch in einem aktuellen CENTURION-Artikel [LINK: https://www.centurion.at/news/news-details/auswirkung-einer-hohen-inflation-und-steigender-zinsen-fuer-versicherungen.html].
Anstieg der Übertragungen von Lebensversicherungsbeständen
In den letzten Jahren sahen Lebensversicherer in der EU Portfolioverkäufe als Gelegenheit, ihre Strategie zu ändern oder Teile ihrer Lebensportfolios zu übertragen, um auf die durch das Niedrigzinsumfeld verursachten Rentabilitätsherausforderungen zu reagieren. Parallel dazu haben einige Private-Equity-Firmen ihr Engagement in Lebensversicherungsportfolios durch den Kauf von Versicherern erhöht. Das dritte Kapitel des EIOPA-Berichts beschäftigt sich mit der Frage, wie die potenziell geringe Rentabilität des übertragenen Geschäfts mit den Renditeerwartungen der Portfoliokäufer in Einklang gebracht werden kann.
Extremwetterereignisse üben erheblichen Druck auf Nichtlebens-Versicherungsunternehmen aus
Es wird erwartet, dass Intensität und Häufigkeit exzessiver Wetterereignisse durch den Klimawandel zunehmen werden. Diese Entwicklung stellt eine wesentliche Quelle von Risiken und Unsicherheiten für die europäischen Versicherer dar. Daher müssen Versicherer in ihren versicherungstechnischen Portfolios ein angemessenes, vorausschauendes Risikomanagement für eine mögliche Zunahme an Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen sicherstellen. Das vierte Kapitel des EIOPA-Berichts enthält eine Analyse der potenziellen Auswirkungen von einem 2°C-Erwärmungsszenario bis Mitte des Jahrhunderts auf europäische Nichtlebensversicherer.
Weiterhin hohe Solvabilität für Versicherungsunternehmen
Trotz zahlreicher Krisen und weltwirtschaftlich turbulenten Zeiten bleibt die Solvabilität der Versicherungsunternehmen auf hohem Niveau. Lebensversicherungen verbesserten ihre Solvabilitätsquote (SCR-Quote) im zweiten Quartal 2022, wobei der Median von 216% im 2. Quartal 2021 auf 237% im 2. Quartal 2022 gestiegen ist. Diese positive Entwicklung ist vor allem auf den Anstieg des risikolosen Zinssatzes seit Jahresbeginn zurückzuführen. Der höhere risikofreie Zinssatz führt zu stärkeren Diskontierungseffekten bei langfristigen Verbindlichkeiten, der daraus resultierende niedrigere Best Estimate verringert die Solvenzkapitalanforderungen für Lebensversicherer in vielen Fällen. Kompositversicherer verzeichneten einen moderateren Anstieg ihrer Solvabilitätsposition von 220% auf 221%, während es bei Nichtlebensunternehmen einen leichten Rückgang von 218% auf 215% gab.
Link zum vollständigen Bericht der EIOPA: https://www.eiopa.europa.eu/document-library/financial-stability-report/financial-stability-report-december-2022