Naturkatastrophen und Inflation im Jahr 2022 – Teil 3: Lessons learned
Mit 125 Mrd. USD für versicherte Schäden weltweit stellt das Jahr 2022 das viertgrößte aufgezeichnete Schadenjahr dar. Im dritten Teil der CENTURION-Artikelserie zum Bericht "Natural Catastrophes and Inflation in 2022: A Perfect Storm" des Swiss Re Institutes werden die treibenden Faktoren für höhere Schäden durch Naturkatastrophen vorgestellt und Lehren für die zukünftige Risikobeurteilung gezogen.
Die Ursachen für die Verluste
Langfristig konnte ein jährlicher Wachstumstrend von 5-7% bei durch Naturkatastrophen bedingten Schäden über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren beobachtet werden. Haupttreiber für das starke jährliche Wachstum sind jedoch nicht allein die physische Zerstörungskraft der Naturkatastrophen selbst, sondern vielmehr das Zusammenspiel aus wirtschaftlichen Entwicklungen. Faktoren wie Wirtschaftswachstum, Anhäufung von Vermögenswerten, Bevölkerungszahlen in exponierten Gebieten und Urbanisierung tragen entscheidend zur Schadensentwicklung bei. In einem Ausblick des Swiss Re Institutes wird davon ausgegangen, dass eine Kombination aus den genannten Risikofaktoren, der Inflation und dem Klimawandel diese jährlichen Wachstumsraten sogar weiter nach oben treiben wird.
Vor allem die hohe Inflation, die im Jahr 2022 in fortgeschrittenen Märkten durchschnittlich 7% und in den Schwellenländern 9% betrug, schlägt sich unmittelbar in den Schäden nieder. Im Bausektor waren die Auswirkungen am gravierendsten. Steigende Material- und Arbeitskosten aufgrund von Materialknappheit haben weltweit zu höheren Ansprüchen zur Deckung der Kosten für Gebäudereparaturen geführt. In den USA sind beispielsweise die Gesamtkosten für den Ersatz von Gebäuden seit Anfang 2020 um schätzungsweise 40% gestiegen.
Anlassbezogene Veränderungen bzw. Neueinschätzungen sind notwendig
Im Jahr 2022 wurde in Frankreich das bisher größte (Hagel-)Sturmereignis mit versicherten Schäden in Höhe von 4,8 Mrd. USD verzeichnet. Damit übertrifft dieses Ereignis den bisher größten Sturm Ela, bei dem versicherte Schäden von mehr als 1 Mrd. USD entstanden sind, um das Dreifache bis Vierfache.
Bislang wurde der Sturm Ela als Maßstab für Hagelstürme in Frankreich betrachtet, mit einer angenommenen Wiederkehrperiode von 20 bis 50 Jahren. Tatsächlich wurde die Grenze von 1 Mrd. USD nun bereits drei Mal in den letzten 10 Jahren überschritten, was eine Neueinschätzung der Wiederkehrperiode rechtfertigt.
Vergangene Schadenerfahrungen sind somit ein wesentlicher Faktor für eine korrekte Einschätzung von Naturkatastrophen. Dabei ist es wichtig, einen risikoadäquaten Beobachtungszeitraum auszuwählen, der einerseits die Vergangenheit ausreichend repräsentiert, aber auch wesentliche Entwicklungen für die Zukunft berücksichtigt.
Daten sind essenziell
Umfassende Daten zu bestehenden Risiken bilden den Ausgangspunkt für jeden Underwriting-Prozess. Insbesondere bei der Erfassung von sogenannten sekundären Risiken, wie Überschwemmungen und Hagelstürmen, besteht Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Datenqualität.
Bei den sogenannten primären Risiken handelt es sich unter anderem um Naturkatastrophen, die eine niedrigere Frequenz, aber ein hohes Schadenpotenzial aufweisen. Beispiele hierfür sind Tropenstürme oder Winterstürme in Europa. Im Gegensatz dazu haben sekundäre Risiken eine etwas höhere Frequenz, aber ein geringeres bis mittleres Schadenpotenzial. Hierzu zählen beispielsweise allgemeine Sturmschäden, Überschwemmungen, Dürren usw.
Nicht nur die Datenerhebung, sondern auch die Aktualität der Daten spielt in Zeiten hoher Inflation eine große Rolle. Die Kosten für Renovierung und Wiederaufbau sind durch die Inflation und diverse globale Lieferengpässe im Zusammenhang mit der Pandemie stark angestiegen. Aufgrund solcher kurzfristigen Entwicklungen kann es sein, dass das zugrunde liegende Risiko nicht mehr mit der ursprünglichen Risikoeinschätzung übereinstimmt. Bei der Risikobewertung wird es daher immer wichtiger, neben den verlustbringenden Faktoren auch die zukunftsorientierten Veränderungen zu erfassen.
Fazit
Das Jahr 2022 war weltweit erneut ein Rekordjahr in Bezug auf versicherte Schäden durch Naturkatastrophen. Neben dem Beitrag des Klimawandels spielen in diesem Jahr insbesondere andere externe Faktoren wie hohe Inflation und Urbanisierung eine entscheidende Rolle bei der Steigerung des Schadensausmaßes. Es wird zunehmend wichtiger, die Relevanz der zugrunde liegenden Daten für bestehende Risiken sowie für zukünftige Risikoeinschätzungen zu erkennen.